Inna Zeitler, Anti-Bias-Trainerin und Theaterpädagogin

Meine Anti-Bias-Reise

Durch meine Familiengeschichte wurde ich früh auf Schieflagen im gesellschaftlichen Miteinander aufmerksam und entwickelte die feste Überzeugung, dass die Würde aller Menschen gleichermaßen geachtet und beschützt werden sollte. Als Schülerin begeisterte mich die Tatsache, dass es sich bei der Würde des Menschen um einen demokratischen Grundwert handelt, der sogar in der Verfassung festgeschrieben ist.
Umso frustrierter war ich angesichts der erlebten gesellschaftlichen Realität. Ich verstand nicht, wieso an Orten wie der Schule, im Freundeskreis, im Sport etc. Herabwürdigung, Beschämung und Ausschluss ganz selbstverständlich stattfanden. Besonders erstaunlich war für mich, dass auch sehr engagierte und offene Menschen dazu beitrugen.

Angetrieben durch meine Erfahrungen in der Schule, wollte ich selbst Lehrerin werden. Ich würde natürlich alles anderes machen ;-) Unterwegs ins Lehrerinnendasein fiel mir auf, dass Vielfalt nicht als Normalfall im Miteinander betrachtet wurde, sondern als Störfaktor. So nach dem Motto: „Ja, Vielfalt ist ja schon ganz nett, aber auch ganz schön anstrengend. Ohne wäre es einfacher.“
Diese Sichtweise störte mich, aber ich hatte auch keine Idee, wie ich es anders machen könnte.

Nach dem Abschluss meines Lehramtsstudiums wollte ich mehr zum Umgang mit Vielfalt lernen und entschloss mich für den Masterstudiengang „Interkulturalität und Integration“. Parallel dazu begann ich mich für den Bereich der Demokratiebildung zu interessieren. Ich besuchte zahlreiche Fortbildungen und arbeitete als freie Mitarbeiterin bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg mit. Auf diesem Weg lernte ich den Anti-Bias-Ansatz kennen und wusste: das ist meine Antwort! So können wir lernen, wertschätzend und produktiv mit Vielfalt umzugehen.

  • Ich begann zu verstehen, wieso es an allen wichtigen Orten der Gesellschaft Herabwürdigung, Beschämung und Ausschluss gibt und wen das besonders hart trifft.
  • Ich sah ein, dass auch sehr engagierte und offene Menschen  – teils unbewusst – zu den Schieflagen beitragen.
  • Ich begriff sehr schmerzhaft, dass meine Werte und Einstellungen alleine auch mich nicht davor schützen, zu den Schieflagen beizutragen und andere Menschen zu verletzten.

Diese Einsichten und Erkenntnisse waren nicht gerade schön. Gleichzeitig war es unglaublich motivierend für mich, dass der Anti-Bias-Ansatz ja hilfreiche Werkzeuge und Methoden bietet, um sich selbst zu reflektieren und das eigene Handeln zu erweitern. Ich dachte damals oft: „Wie geil! Es muss nicht bleiben wie es ist, wir können es ändern. Jeden Tag ein bisschen mehr!“

Inna Zeitler, Anti-Bias-Trainerin und Theaterpädagogin

Nur Mut!

So begann meine persönliche Anti-Bias-Reise und ich wünsche mir selbst den Mut, sie mein ganzes Leben offen und neugierig weiterzuführen. Vor ein paar Jahren erfüllte ich mir selbst den langgehegten Herzenswunsch und machte eine Ausbildung zur Anti-Bias-Multiplikatorin. Es ist ein großes Geschenk für mich, inzwischen hauptberuflich andere Menschen auf dieser Reise begleiten zu dürfen und dabei auch mich selbst immer wieder zu reflektieren – für ein wertschätzendes und vorurteilsbewusstes Miteinander in einer vielfältigen und offenen Gesellschaft.

Mehr darüber, was mich am Anti-Bias-Ansatz begeistert, erfährst du in meinem Talk bei TEDxStuttgart